Immer häufiger fällt in den Vertriebseinheiten von Energieversorgern das Schlagwort „Community Vertrieb“.  Zugegeben: Dieses Schlagwort wird wohl hauptsächlich von Vertretern meiner Zunft propagiert. Dabei wird dieser vertriebliche Ansatz als die Vertriebsform der Zukunft angepriesen – angelehnt an social media Phänomenen wie Facebook etc. Aber irgendetwas scheint beim Erklären dieses Konzeptes schief zu laufen. Denn hinterfrage ich das geplante Vorgehen, reduziert sich dieses meist auf einen (Mengen)-Rabatt für bestimmte Kundengruppen. Dabei geht es um deutlich mehr.

Denn der Mechanismus von Community Vertrieb basiert auf einem sehr altem Konzept: dem Empfehlungsmarketing! Grundsätzlich soll nämlich erreicht werden, dass eine bestimmte Gruppe von Kunden a) sich selbst motiviert Kunde und damit teil dieser Gruppe zu bleiben und b) selbständig weitere „Gruppenmitglieder“ rekrutiert. Also eine Art vertriebliches perpetuum mobile. Nun wissen wir, dass es so etwas wie ein perpetuum mobile nicht gibt. Um Dinge zu bewegen muss sowohl in der Physik als auch im Vertrieb immer ein Antrieb geschaffen werden. Allerdings glaube ich nicht, dass dieser Antrieb ein Mengenrabatt sein kann.

Beim Community Vertrieb kommt es nämlich darauf an, eine Gemeinschaft oder zumindest einen wesentlichen Mehrwert zu einer Gemeinschaft zu schaffen. Nach Wikipedia ist eine Gemeinschaft „..eine überschaubare soziale Gruppe …, deren Mitglieder durch ein starkes „Wir-Gefühl“ eng miteinander verbunden sind…“ (Definition Gemeinschaft). Ob sich dieses „starke Wir-Gefühl“ mit einem Mengen-Rabatt erzeugen oder verstärken lässt, darf zumindest bezweifelt werden. Reduziert man Community Vertrieb auf einen Mengenrabatt für eine bestimmte Gruppe, erhält man vielmehr ein differenzierteres Freunde-werben-Freunde-Programm. Doch damit schafft man kein Wir-Gefühl und auch keine enge Verbindung.

Es geht also darum, Gruppen von Menschen Dingen anzubieten, die Ihren echten Mehrwert erst in der Gemeinschaft ausspielen bzw. überhaupt nur in einer Gemeinschaft funktionieren. Insbesondere die Ansätze der „sharing economy“, also wirtschaftliche Ansätze, bei denen eine Gruppe davon profitiert, eine Leistung zu teilen, scheinen in diesem Zusammenhang erfolgsversprechend. Ein etablierter Ansatz hierfür ist z.B. das Car Sharing. Noch stärker bildet sich ein Wir-Gefühl heraus, wenn sich der entstandene Mehrwert zusätzlich zum Abgrenzen von anderen Gruppen eignet bzw. noch weitere soziale Bedürfnisse befriedigt. Ein solcher Ansatz wird zur Zeit z.B. von foodsharing verfolgt. Diese Ansätze schaffen eine Verbindung zwischen den Mitgliedern der Gemeinschaft, die so stark ist, dass diese Mitglieder sich gegenseitig motivieren „bei der Stange“ zu bleiben und sogar weitere Mitglieder „zu rekrutieren“. Wie ein solcher Ansatz für einen Energieversorger aussehen kann, lässt sich kaum allgemeingültig beantworten. So muss das verbindende Element für die Gruppe klar mit dem Energieversorger in Verbindung stehen und zu ihm passen.

Auch das spricht gegen die Idee des Mengen-Rabatts. Denn die Idee beim Community Vertrieb ist häufig, dass alle Mitglieder der Gruppe einen Teil des Rabatts verlieren, wenn ein Mitglied ausscheidet. Kurzfristig mag das funktionieren. Langfristig wird so aber eine Abwehrhaltung im Sinne einer Reaktanz erzielt. Es ist der simple Unterschied zwischen KundenGEbundenheit und KundenVERbundenheit. Der Anreiz für den Zusammenhalt der Gruppe – das verbindende Element – muss möglichst natürlich und glaubhaft wirken. Das funktioniert nur, wenn dieser Anreiz auch zum Image des jeweiligen Versorgers passt. Themenfelder, in denen solche Anreize gefunden werden können, bieten sich viele an: Regionalität, ökologisches Bewusstsein, Versorgung der Zukunft etc. Alles Themen, die die Gesellschaft und auch die Individuen beschäftigen. Damit diese Themenfelder aber von dem jeweiligen Energieversorger für den Community Vertrieb genutzt werden können, müssen sie glaubhaft mit der Positionierung des Versorgers in Einklang gebracht werden können. Bei vielen Versorgern herrscht hier akuter Handlungsbedarf im Marketing.

Community Vertrieb kann also ein starker Kanal sein, um die Kundenverbundenheit zu fördern. Allerdings ist er weit weg von einem vertrieblichen perpetuum mobile. Denn er erfordert hinreichende Pflege der Marke und auch der „Community“ selbst. Zu bedenken bleibt auch, dass die so geschaffenen Gemeinschaften nur eine bestimmte, eher eng begrenzte Masse erreichen können. Denn erst das Abgrenzen gegenüber anderen schafft ja gerade das gewünschte „Wir-Gefühl“. Um diesen vertrieblichen Ansatz also ein entsprechendes Gewicht im Kanalmix zu geben, müssen mehrere solcher Gruppen geschaffen und aktiv gepflegt werden. Dennoch halte ich diesen Kanal für erfolgsversprechend, wenn er im Rahmen eines gut strukturierten Marketings erfolgt. Um ihn nutzen zu können, muss man allerdings schnell in die Testphase eintreten. Denn auch andere Branchen haben diesen Ansatz im Fokus und die Anzahl an Communities, an denen man sich beteiligen möchte, ist begrenzt.

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