Wohl kaum ein anderes Phänomen stellt die Energiewirtschaft vor solche Rätsel wie der Kündiger. „Ist doch klar, die gehen alle wegen des Preises. Das sagt auch unsere Kündigerbefragung!“ oder „Mein Nachbar hatte noch letzte Woche ein ganz schlimmes Erlebnis mit unserem Kundenservice. Der will auch bald kündigen!“ In aller Regel reicht aber die Frage „Sind Sie sich sicher, dass das der Hauptgrund ist?“ schon für Unsicherheit beim Gegenüber.

Woher kommt aber die Unsicherheit? Aus meiner Sicht zunächst einmal aus der Tatsache, dass Merkwürdigerweise relativ wenig getan wird, um dieses Mysterium zu ergründen. Dabei stehen dem modernen Marktforscher reichlich Mittel zur Verfügung. Vielleicht ist aber auch gerade das genau das Problem. Schauen wir uns diese Mittel doch einmal strukturiert an: Zunächst bietet die moderne Marktforschung ein ganzes Arsenal an Instrumenten an. Aber was liegt schon näher, als den Kündiger direkt beim Versenden der Kündigungsbestätigung zu befragen? Also schnell einen Fragebogen gestaltet und mit der Kündigungsbestätigung eingetütet. Meines Erachtens können Sie sich diesen Aufwand sparen. Denn die Antwort wird sein „Es liegt am Preis“. Dabei müssen Sie sich einmal in die Lage des Kunden versetzen. Zunächst interessiert Ihn der Energievertrag nicht sonderlich. Allerdings wird er täglich mit der Botschaft beschallt, dass Strom viel zu teuer ist und er doch einfach nur wechseln muss, um hunderte von Euros zu sparen. Das bekommt er auf der Suche nach neuen Anbietern zunächst auch bestätigt. Jetzt fühlt er sich natürlich von Ihnen auch noch ausgenutzt – er hat ja jahrelang zu viel gezahlt. Was würden Sie jetzt antworten, wenn Sie jemand fragt, warum sie gewechselt haben? Dabei wird der Energievertrag auf den Preis reduziert. Die Leistungen, die Sie als Anbieter erbringen, werden völlig überschattet. Warum der Kunden diese Leistungen nicht mehr sieht, wäre das vielversprechendere Forschungsziel. Dieses zu erheben, gelingt aber nicht mit einem mal eben auf die Schnelle entwickelten Fragebogen. Darüber hinaus ist der emotionale Zustand des (ehemaligen) Kunden sicherlich nicht der beste, um von ihm Informationen zu erhalten, die nur demjenigen nutzen, dem er gerade die ultimative Bestätigung der Unzufriedenheit gegeben hat.

Um Phänomene zu erforschen, die in den Tiefen der Psyche des Kunden zu suchen sind (bei einem low involvement Produkt wie Energie erfolgt die Kaufentscheidung in einem hohen Maße implizit), bietet sich immer die qualitative Marktforschung an. Dieses Verfahren ist allerdings um ein vielfaches aufwändiger, als die Kündigerbefragung. Darüber hinaus müsste diese regelmäßig durchgeführt werden, um sich ändernde Marktbedingungen zu erfassen. Aber Sie kann auch Aufschluss über die richtige Fragestellungen geben.
Ein häufig völlig vernachlässigter Umstand ist, dass Sie bereits sehr viel über den Kündiger wissen. Sie kennen seinen/ihren Wohnort, den bisherigen Tarif, Verbrauch usw. Sie wissen in aller Regel sogar zu welchem Anbieter gewechselt wird. Das geschickte Auswerten dieser Daten lässt dabei häufig auch Rückschlüsse auf sozio-psychologische Aspekte zu. Der Nebeneffekt: Man bekommt ein gutes Gefühl für die Datenqualität im eigenen Haus.

Die Mittel sind also vorhanden und stehen in aller Regel auch zur Verfügung. Es kommt aber darauf an, diese auch systematisch einzusetzen.
Wie gehen Sie bei der Kündigeranalyse vor? Auf welche Probleme stoßen Sie? Welche Lösungen haben Sie? Ich freue mich auf Ihre Anmerkungen, Hinweise, Kommentare!

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