Bis vor kurzem habe ich mir die Welt noch einfach gemacht: Vertrieb im Grundversorgungsgebiet bzw. Heimatgebiet war Verteidigung, Vertrieb in Fremdgebieten war Angriff. Bei ersterem bin ich mir weiterhin sicher, beim zweiten nicht mehr. Warum? Zum einen scheint sich das Wechselverhalten der Kunden zu verändern, zum anderen scheint sich der Markt zu konsolidieren.
So hat vor kurzem die Beratung conenergy in Zusammenarbeit mit TNS Infratest eine Studie durchgeführt, aus der hervorging, dass Öko und Preis bei der Kaufentscheidung an Bedeutung verlieren (Pressemitteilung). Das lässt sich auch leicht herleiten: Mittlerweile gibt es kaum noch einen Anbieter, der keinen Ökostrom anbietet. Darüber hinaus zeigte schon Ende 2012 eine mir bekannte Wechslerstudie eines großen Internetportals, dass Öko zwar gerne von den Kunden gewählt wurde, aber auch nur dann, wenn der entsprechende Anbieter zusätzlich den günstigsten Preis aufwies. Das bringt mich zum zweiten Trend im Konsumentenverhalten.
Die Insolvenzen von Teldafax und Flexstrom wurden mit großem medialen Interesse verfolgt. Das hat nicht nur die Kunden verunsichert, sondern auch Organisationen wie Verbraucherzentralen oder die Stiftung Warentest dazu bewegt, den Kunden zur Vorsicht beim Wechsel zu Discountern zu raten. Das minderte aber nicht nur die Wechselfreudigkeit zu Discountern, sondern dämpft sie im Allgemeinen. Gefördert wird dies noch durch die politische Diskussion über die Strompreise. Durch Schlagworte wie „Strompreisbremse“ wird dem Energieverbraucher suggeriert, dass auch der Staat dafür sorgen wird, dass er nicht zu viel zahlt – unabhängig vom Anbieter.
Aus diesen (und weiteren) Gründen wird der Markt für überregionale Anbieter deutlich schwieriger und die zum Überleben notwendige kritische Masse an Kunden wird immer größer. So ist es kein Wunder, dass immer mehr Anbieter aufgeben bzw. den Eigentümer wechseln. So gehört Clevergy mittlerweile zu Lichtblick, lekker zu den Stadtwerken Krefeld und nun hat auch Secura seinen Eigentümer gewechselt (Pressemitteilung). Aber was bedeutet das für den überregionalen Vertrieb?
Dadurch das es schwieriger wird, neue Kunden zu gewinnen, werden sowohl das Marketing als auch die Vertriebskanäle deutlich wichtiger. Wo es früher noch reichte, einfach ein günstiges Angebot zu haben, muss dem Kunden heute zusätzlich noch ein gewisses Vertrauen vermittelt werden. Das ist aber gerade in low involvement Märkten schwierig. Der Kunde wird nicht oder nur wenig nach Informationen suchen, um zu erfahren, ob er dem Anbieter vertrauen kann. Vielmehr wird er versuchen, sich auf sein „Bauchgefühl“ zu verlassen. Dieses wiederum wird stark durch den Markenauftritt und die damit verbundene Kommunikation vermittelt. So werden meiner Meinung nach auch überregionale Anbieter stärker in ihre Marken investieren müssen. Allerdings wird dadurch auch der Vertrieb erschwert, denn bisher haben Vertriebspartner vorrangig über den Preis verkauft. Das vermitteln einer Verkaufsgeschichte erfordert aber deutlich mehr Aufwand, sowohl zeitlich als auch bei den Kompetenzen. Daher werden gerade Vergleichsportale von den Versorgern stärkere Marketingunterstützung verlangen. Zusätzlich verringert sich die Anzahl der Anbieter und damit der Kunden dieser Vertriebspartner. Da aber auch diese an Umsatz- bzw. Gewinnsteigerungen interessiert sind, werden kurz- bis mittelfristig die Provisionen in diesen Vertriebskanälen steigen.
Steigende Kosten und immer stärkere gesetzliche Einschränkungen beim Gestalten der Geschäftsmodelle werden dafür sorgen, dass auch bei überregionalen Anbietern die Kundenbindung eine entscheidende Rolle einnehmen. So werden die Akquisekosten (Cost per Order) eine längere Verweildauer der Kunden bis zur Amortisation bedingen. Überregionale Anbieter werden also neben der Ausweitung ihres Kundenstamms (Angriff) immer stärker auch ihren Kundenstamm gegen andere Anbieter verteidigen müssen.

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